Hans Rudolf Zeller: Tesa-Arbeiten und Klammerausdrücke
Vorausschicken
muß ich, daß Tesafilm schon vor 1960 zu den für mich
unentbehrlichsten Arbeitsutensilien zählte. Gleiches gilt von dem überdies
sogar in Baden hergestellten Uhu, dessen Geruch oder besser Duft mich
von jeher, schon als Kind, nachhaltig begeisterte. Daher ist
es durchaus nicht verwunderlich, daß der produktive Umgang mit
Tesa und Uhu nicht das Resultat eines plötzlichen
Entschlusses war, sondern sich seit langem in aller Stille anbahnte. Eher
verwunderte es mich, daß sich nicht auch andere ebenso stark
für meine beiden Favoriten interessierten. Da ging es immer nur
um den Leim oder Klebstoff, mit dem man etwas festhalten
konnte, und zwar unverrückbar. Dies war für mich nie ein zentraler
Gesichtspunkt.
Es ist
vielleicht wichtig, auf das Spielerische meines Projekts hinzuweisen. Denn 1960 war
es keinesfalls meine Absicht, auf die Universalität des
Tesafilms aufmerksam zu machen, indem ich ihm eine größere
Anzahl von Arbeiten widme, einen ganzen Zyklus nur zum Lobe Tesas,
sozusagen. So etwas lag mir damals noch fern, schon deshalb, weil ich ja
noch in keiner Weise die konstruktiven Möglichkeiten des
Tesamaterials erkundet hatte. Dies sollte zunächst geschehen, und zwar
so, daß darüber nicht andere wissenschaftliche wie
künstlerische Vorhaben allzusehr zu kurz kämen. Von heute aus gesehen könnte
man meine damalige Lage mit der von Günther Uecker vergleichen,
der mit dem Nagel gleichfalls ein multivalentes Objekt für eine
unbeschränkte Vielzahl von möglichen künstlerischen Anwendungen entdeckt
hatte, ohne sie bereits alle vorweisen zu können.
Der Beginn der Arbeit
ist mit einem Kalenderblatt vom Juni 1961 fixiert worden, ihr Ende
bleibt bis heute offen. Eine gewisse Modifikation erfuhr sie Ende 1970
nach oder seit meiner Übersiedlung von Freiburg nach München
dadurch, daß sich bestimmte Arbeitszusammenhänge bedingt durch neu
hinzugekommene schlagartig änderten.
Aber
Tesastreifen sind keine Nägel, und zu ihrer sachgemäßen
Behandlung bedarf es
auch keines Hammers wie sie auch auf andere Weise zum Klingen
gebracht werden müssen als durch Behämmern. Was mit ihnen, den
Tesastreifen, in Berührung kommt, bleibt haften, was die Existenz
einer speziellen Klebeschicht voraussetzt, die etwa beim Farbauftrag
nicht notwendig ist, weil dieser bei den meisten Oberflächen ganz
von selbst haften bleibt. Beim Klebestreifen muß die Klebeschicht nicht
erst angebracht werden, sie wird schon mitgeliefert und ist jederzeit
aktivierbar, was wiederum schnelle Entscheidungen hinsichtlich der
künstlerischen Verwendung voraussetzt: eh man sich's versieht sind Dinge
miteinander verbunden, die vielleicht getrennt bleiben sollten. Aber
das ist dennoch kein Malheur, weil der voreilig placierte
Streifen auch wieder abgerissen werden kann.
Damit ist
schon eine der wichtigsten Handlungen im Verlauf einer Produktion
erwähnt: das Aufkleben und wieder Abreißen eines Streifens
unterschiedlicher Länge als permanent wiederholte Aktion. Je nach Untergrund
wird einiges davon an der Klebestelle haften bleiben und an
anderer Stelle wieder aufgeklebt werden können, je nach Konzept
freilich. Wie lange dies fortgesetzt werden kann, hängt von der
"Ergiebigkeit" der Oberfläche ab, ob etwa glatte und rauhe miteinander
kombiniert sind. Danach besteht ein Bild aus einer Vielzahl - wenn so
konzipiert - von Handlungszusammenhängen, die der Reihe nach
reduziert werden. (Eine nicht ganz gesicherte Feststellung, fast
noch Vermutung).
Hans Rudolf Zeller Tesa-Arbeit: Abb. hrz_eah (Ausschnitt 1)
Am
Leitfaden der vorerst noch wenigen Exponate läßt sich
immerhin schon nachvollziehen,
worum es in den 60er Jahren immer wieder von neuem ging, so
daß auch der ganze Raum sich danach aufteilen läßt: einerseits durchaus
um das Fixieren verschiedenster Objekte des alltäglichen
Lebens - Kaugummi, ein Film, Papiertaschentücher, wichtig,
für den, der ständig an Erkältungen litt,
Tabletten gegen Mandelentzündung,
etc. Andererseits sollte aber auch die Abstraktion von alledem
hochgehalten werden, die reine Tesaabstraktion, in der nur noch der Streifen
selbst und nichts außerdem auftritt, am befreiendsten in den
Blättern mit zerstäubtem Firnis, der sonst ja zu anderen Zwecken
verwendet wurde.
Hans Rudolf Zeller Tesa-Arbeit: Abb. hrz_t304
Hans Rudolf Zeller Tesa-Arbeit: Abb. hrz_t349
Bereits
gegen Ende meiner Freiburger Jahre kam als ein neues Element einer
offenen Gestaltung zu Tesa und Uhu die Büroklammer in
verschiedensten Größen hinzu. Nun mußte nicht mehr ein
für allemal entschieden werden an welcher Stelle ein Bildelement
auftreten sollte, denn von nun an war jedes Bild nur eine
provisorische Konstruktion, je nachdem wie ihre
Bestandteile verklammert waren; was bedeutete, sich mit einer
umfassenden, wenn nicht totalen Austauschbarkeit aller Bildträger
abzufinden. Doch das gleichbleibend Solide an diesen "Klammerausdrücken"
sind die zuweilen überdimensionalen Klammern selbst.
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